12 Dezember 2006

Deutsche Sprache im Wandel - Indogermanisten der Universität Jena erstellen etymologisches Wörterbuch

"Sorry" sagen wir, um uns zu entschuldigen. Wir gehen "shoppen" und "joggen" und telefonieren dabei über das "head set" - die Liste der Anglizismen in der heutigen Umgangssprache wird stetig länger. Andere Begriffe tauchen dafür in der deutschen Gegenwartssprache kaum noch auf, obwohl sie noch vor wenigen Jahrzehnten weit verbreitet waren.

Doch warum hat das "girl" den "Backfisch" ersetzt? Wie finden neue Wörter Eingang in unsere Sprache? Um 1900 zahlte man noch "Interessen" statt der heutigen "Zinsen" für sein Darlehen. Was passierte mit dieser Bedeutungsnuance von "Interesse"? Diesen Fragen wollen Sprachwissenschaftler der Friedrich-Schiller-Universität Jena in einem neuen Forschungsprojekt nachgehen. "Deutsche Wortfeldetymologie im europäischen Kontext - Der Mensch in Natur und Kultur", so lautet der Titel des Forschungsvorhabens an der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig, das vom Land Thüringen zusammen mit dem Bund finanziell gefördert und an der Universität Jena angesiedelt wird.

Dabei interessiert die Forscher sowohl der zeitliche Wandel des deutschen Wortschatzes als auch seine Organisation. Deshalb wollen die Wissenschaftler die untersuchten Begriffe so genannten Wortfeldern zuordnen und auch prüfen, ob die einzelnen Begriffe in unterschiedlichen Kontexten unterschiedliche Bedeutungen aufweisen. "Interessen" im heute gebräuchlichen Sinn "Neigungen" gehört zum Beispiel zum Wortfeldkomplex "Der Mensch im Alltag", in der veralteten Bedeutung "Zinsen" dagegen zum Wortfeldkomplex "Mensch und Wirtschaft".

Gleichzeitig soll ein Bezug zu den wichtigsten europäischen Sprachen hergestellt werden. Viele Begriffe werden in anderen Sprachen anders gebraucht und haben andere Bedeutungsnuancen. "Toleranz" beispielsweise hat im Russischen noch oft den negativen Beigeschmack von "zu großer Nachsicht".

Die Erkenntnisse aus dem Projekt der Sprachwissenschaftler der Jenaer Universität fließen in den kommenden 20 Jahren in ein etymologisches Wörterbuch ein, das die Geschichte und Herkunft von Wörtern erklärt. Es erscheint online und in Buchfassung. Im Gegensatz zu den meisten anderen europäischen Sprachen fehlt für das Deutsche ein solches umfassendes Wörterbuch bisher. Diese Forschungslücke soll nun geschlossen werden. Ab Mitte des kommenden Jahres wird eine eigens eingerichtete Internetseite den Projektverlauf stetig dokumentieren.

Quelle: idw